Dienstag, März 19, 2024
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Die große Frage nach dem Warum: Was haben Unternehmen eigentlich davon, wenn sie Start-ups fördern?

Konzerne und Start-ups unterscheiden sich von ihrer Organisationsstruktur her grundlegend. Während die etablierten Unternehmen meist einen sehr breiten Marktzugang bieten und Skalierungsfähigkeit mitbringen, besitzen Start-ups vor allem das, was die Konzerne aufgrund ihrer eingewachsenen Strukturen schmerzlich vermissen: Schnelligkeit und Innovationskraft. Um selbst agil und wettbewerbsfähig zu bleiben, holen sich die großen Unternehmen deshalb immer öfter Start-ups ins eigene Ökosystem. Und um das zu managen, ist es zur Regel geworden, einen Accelerator aus dem Boden zu stampfen – irgendein Programm, das Start-ups fördert und den eigenen Betrieb ein bisschen hipper machen soll. Doch die wichtigste Frage für solch ein komplexes Vorhaben bleibt viel zu oft völlig ungeklärt:

Warum sollte ein Unternehmen so etwas überhaupt angehen? Viele Unternehmen, die Start-ups fördern, können diese Frage irrsinnigerweise nicht beantworten.

So beschäftigt sich der aktuelle Bericht von TechStars “Best practices for leveraging startups in corporate innovation findings” mit möglichen Zielen bei der Zusammenarbeit mit Start-ups. Zunächst die große Überraschung: Ganze 19 Prozent der befragten Unternehmen – immerhin jedes fünfte Unternehmen – haben sich erst gar keine konkreten Ziele für die Zusammenarbeit mit Start-ups gesetzt. Einfach mal los und dann schauen, wohin es führt. 49 Prozent aller Unternehmen haben keinen Ansprechpartner für den Verantwortungsbereich benannt. Und auch eine Auswertung bleibt dann meist aus: 38 Prozent haben kein Bewertungsschema für die Zusammenarbeit mit Start-ups definiert. Heißt, wenn es nicht läuft (oder eben doch läuft), kriegt´s auch keiner mit.

Immerhin: Knapp jedes zweite Unternehmen ist bereits einen echten Schritt gegangen und hat mit dem Start-up an einem gemeinsamen Produkt gearbeitet. Ein solches Projekt kann man schon als erste Zielvorstellung betrachten. Doch welche Absichten haben Unternehmen denn nun bei der Zusammenarbeit mit Start-ups und welche machen wirklich Sinn?

Es gibt einige Ziele, die sich zwar toll anhören, sich bei genauerer Betrachtung aber schnell als Wunschdenken entlarven. Beispiel? Das Ziel, den kulturellen Wandel im Unternehmen voranzutreiben, indem Tools und Methoden der Start-ups übernommen werden. Tatsächlich? Klingt eher nach einem Märchen. Wer glaubt wirklich, dass ein kleines Start-up durch bloße Anwesenheit und die eigene Flexibilität die über Jahrzehnte etablierte Kultur eines gestandenen Konzerns mit hunderten oder tausenden Mitarbeitern verändert? Und was hätte das Unternehmen davon – außer Unordnung und Unsicherheit bei vielen Mitarbeitern.

Dahinter steht meist lediglich der Neid gegenüber den agilen Strukturen der Start-ups – ohne dass diese zu großen Arbeitgebern passen würden. Google hat jüngst gezeigt, wie schwer man sich selbst als vermeintlich junggebliebener Konzern tun kann, wenn man eine gewisse Größe und Relevanz am Markt besitzt.

Noch ein Beispiel?

Wir investieren in Start-ups und generieren einen schönen Return-on-Invest. Jeder, der genauer hinschaut sieht, dass das Blödsinn ist. Einen Konzern oder ein Unternehmen vorwärts zu bringen passiert nicht dadurch, dass man seinen Einsatz in ein Start-up beim möglichen Exit vielleicht sogar verdoppelt. Gerade für Multimillionen- oder Milliarden-Konzerne ist das lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Entweder investiert man im großen Stil in wachstumsträchtige Start-ups oder man arbeitet mit ihnen zusammen, investiert in Team und Produkt und skaliert sie. Kein Unicorn ist jemals durch das Accelerator-Programm eines Konzerns gelaufen. Mit Blick auf das FinTech N26: Ausnahmen bestätigen die Regel.

Aber was sollte denn nun das Ziel sein?

Zuallererst braucht es einen strukturierten Ansatz, um die technologischen Bedürfnisse des Unternehmens zu ermitteln und kritisch zu hinterfragen. Verfügt das Start-up über die gewünschten Kompetenzen, um die Lösung skalieren zu können? Um das herauszufinden helfen Pilotversuche und ein Proof of Concept.

Zudem sollte sich intensiv mit Kunden- und Technologietrends auseinandergesetzt werden. Es ist tatsächlich keine Seltenheit, dass große Unternehmen die Verbindung zu ihren eigenen Kunden verlieren und nicht mehr auf deren Bedürfnisse eingehen. Bevor Unternehmen mit Start-ups neue Produkte vorantreiben und dann komplett in der Entwicklungsphase stecken, sollte die Frage nach den Kundenbedürfnissen geklärt sein.

Kern der Zusammenarbeit sollte der Aufbau von belastbaren Kundenbeziehungen zwischen dem fördernden Unternehmen und dem geförderten Start-up sein. Nur auf diese Weise können Start-ups gedeihen – weil sie einen echten Need befriedigen und lernen, sich mit den Bedürfnissen von Kunden auseinanderzusetzen (und nicht etwa mit den Bedürfnissen von Mutterkonzernen). Gleichzeitig profitiert das fördernde Unternehmen direkt und unmittelbar von innovativen Lösungen der Start-ups.

Auch die Unterstützung von lokalen Start-ups und somit des unternehmerischen Ökosystems kann ein sinnvolles Ziel für Unternehmen sein. Start-ups können einerseits von der starken Marke, der belastbaren Netzwerke und dem Fachwissen der Unternehmen profitieren. Auf der anderen Seite kann der Wert des lokalen Ökosystems gestärkt werden – was wiederum Auswirkungen auf die Attraktivität des fördernden Unternehmens hat.

Bevor sich Unternehmen also in neue Start-up-Projekte mit ungewissem Ausgang stürzen, sollte Klarheit über die Ziele und Erwartungen an die Zusammenarbeit geschaffen werden. Nur so kann eine Zusammenarbeit erfolgreich umgesetzt werden, ohne dass auf beiden Seiten Frust entsteht und Projekte zur Kostenfalle werden. Es ist wichtig, die richtigen Leute im Team zu haben und Prozesse zu definieren – von der Strukturierung der technologischen Anforderungen bis hin zur Entwicklung einer Lösung durch das Start-up. Dafür braucht es eine Strategie sowie kompetente Mitarbeiter und Partner, die die Zusammenarbeit zum Erfolg machen.

Über den Autor

Christian Lindener ist seit Februar 2017 Managing Director von Wayra Deutschland. In dieser Rolle verantwortet er die strategische Ausrichtung, die Auswahl und Betreuung von Start-ups und jungen Technologieunternehmen sowie die verstärkte Vernetzung von Wayra mit dem internationalen Start-up-Ökosystem. Seit September 2017 ist er außerdem einer der Regionalleiter Bayern im Bundesverband Deutsche Start-ups.

Wayra Deutschland ist das Open Innovation Hub des Telekommunikationskonzerns Telefónica. Als Accelerator skaliert Wayra technologieorientierte Start-ups und verfolgt dabei ein „Venture-Client“-Modell, bei dem die Muttergesellschaft Telefónica als Kunde für die Produkte der Start-ups auftritt. Mit dem Programm Wayra-as-a-Service unterstützt Wayra neben der Telefónica auch weitere Konzerne in der Zusammenarbeit mit jungen Unternehmen.

Dieser Gastbeitrag ist Teil einer Artikel-Serie, in der Christian Lindener über die Zusammenarbeit von Corporates und Start-ups schreibt.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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