Donnerstag, März 28, 2024
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Verblöden unsere Schulkinder?

Wer in seinem Leben etwas erreichen möchte, der muss in der Schule gute Noten haben. So wird es größtenteils jungen Menschen in der Schule vermittelt. Gute Noten bedeuten einen guten Abschluss. Ein guter Abschluss bedeutet einen Studienplatz an einer prestigeträchtigen Universität. Ein Abschluss an einer prestigeträchtigen Universität wiederum ist ein Garant für einen gut bezahlten Job. Ein gut bezahlter Job legt den Grundstein für ein glückliches und erfolgreiches Leben. So zumindest die Idealisierung der Schule. Natürlich ist das totaler Blödsinn.
Bill Gates, Mark Zuckerberg, Steve Jobs – haben keinen Universitätsabschluss. Peer Steinbrück ist zweimal in der Schule sitzen geblieben. Albert Einstein, Elton John und Tumblr-Gründer David Karp haben sogar die Schule abgebrochen. Da taucht doch die Frage auf, mit was für einem Mindset unsere Kinder in der Schule groß werden? Verblöden sie vielleicht sogar in einer Einrichtung, die sich die letzten 30 Jahre kein bisschen weiterentwickelt hat?

Die Schule von heute kommt ihrem Auftrag nicht nach

Schulen haben einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag: Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu mündigen und verantwortungsvollen Persönlichkeiten. Es sollen Wissen, Fähigkeiten und Werte im Unterricht gezielt vermittelt werden. So ist es im Schulgesetz festgehalten. Ich stolpere schon direkt beim ersten Satz: „Entwicklung der Schüler zu mündigen und verantwortungsvollen Persönlichkeiten“. Werden unsere Kinder solch eine Persönlichkeit, wenn sie anhand von Noten bewertet werden? Sie Latein lernen, eine tote Sprache, die niemand spricht? Oder Sie Gedichte interpretieren müssen? Sie erleben müssen, wie Schulen im 21. Jahrhundert an der Digitalisierung scheitern? Sie vermittelt bekommen, dass gute Noten eine Garantie für Erfolg im Leben sind? 

Veraltetes Schulsystem für neue Generationen

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Die ganze Welt hat sich weiterentwickelt. Die Schule nicht. Wir haben heute noch exakt das gleiche Schulsystem, wie vor 30 Jahren auch. Warum lernen unsere Kinder in der Schule nicht, wie man Unternehmen gründet? Wieso ist Persönlichkeitsentwicklung kein Pflichtfach? Was ist mit Medienkompetenz? Was mit dem Umgang von Social Media? Das sind Inhalte, die junge Menschen heutzutage brauchen. Natürlich darf man das nicht alles über einen Kamm scheren, denn es gibt auch Schulen, die anders sind. Schulen, die genau diese Probleme schon längst erkannt haben und, gemäß ihren Möglichkeiten, versuchen ihre Schüler bestmöglich auszubilden – zeitgemäß auszubilden. Aber leider sind das die wenigsten.

Verpasste Digitalisierung als Gradmesser

Solange Schulen staatlich reguliert sind, wird sich leider wenig ändern. Wie sollen Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Veränderungen herbeiführen? Dafür muss man Regeln brechen und sich von festgefahrenen Glaubenssätzen lösen. Das ist nicht unbedingt etwas, was zu den Stärken eines Beamten oder des öffentlichen Dienstes zählt. Die wollen Sicherheit, deswegen haben sie ja eine Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Neues stellt ein Risiko dar und ist unerwünscht. Wir sehen es doch aktuell während der Corona-Pandemie: unsere Schulen sind nicht digitalisiert.

Viel schlimmer noch: sie haben die Digitalisierung völlig verschlafen. Der Rückstand ist so groß, dass er gar nicht mehr aufgeholt werden kann. Und wer sind die Leittragenden? Unsere Kinder! Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Kinder die nächsten Generationen sind. Diejenigen, die uns ablösen werden. Von denen wir erwarten, dass sie unsere Gesellschaft und die Welt weiterentwickeln. Wie soll das gehen, wenn während einer Krise Schulen geschlossen werden und der digitale Unterricht die Qualität eines Discounters hat? Gar nicht! Das Homeschooling in Deutschland ist ein Desaster und zeigt, dass Schulen immer noch in den 90iger Jahren feststecken. Gemäß dem Motto „was war noch mal dieses Internet?“

Schule kann großen Schaden anrichten – und macht es mitunter auch

Unsere Schulkinder verblöden! Sie lernen Dinge, die sie nach der Schule nie wieder brauchen. Ich warte mit meinen 37 Jahren bis heute noch auf Pythagoras. Bisher habe ich ihn nicht gebraucht – und ich werde ihn auch nicht mehr brauchen. Ein Gedicht interpretieren zu können, hat mir auch nicht geholfen, meine Ziele im Leben zu erreichen. Außer Lesen, Schreiben und ein bisschen Rechnen brauche ich nichts. Auch das ist zu undifferenziert, das ist mir klar. Aber liege ich damit so falsch?

Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Schule Schaden anrichten kann. Oftmals werden jungen Menschen ihre Träume genommen, weil Lehrer ihnen vermitteln, dass es Hirngespinste sind. Sie bekommen beigebracht, dass ihre Noten über ihre Zukunft entscheiden. Schlechte Schüler bekommen gesagt, dass aus ihnen nichts werden wird. So entstehen Glaubenssätze, mit denen niemand etwas im Leben erreichen kann. 

Wo ich Hoffnung sehe: ein Blick in die Praxis

Ja, ich halte unser Schulsystem für ein Desaster. Und mir tuen unsere Schulkinder leid, weil sie schlecht auf das Leben vorbereitet werden. Aber ich habe auch Hoffnung. Seit mehreren Jahren arbeite ich als Schülercoach an Schulen. Ich sehe Schulen, die offen für Themen wie Persönlichkeitsentwicklung sind. Rede mit Schulleitern, die ganz klar sagen, dass wir von Noten wegkommen müssen. Ich sehe unendlich viel Potential bei Schülerinnen und Schülern. Junge Menschen, die sich neben der Schule eigenständig Wissen aneignen. Die sich große Ziele setzen und sich nicht ausreden lassen, diesen nachzugehen. 

Unangenehme Fragen stellen

Wir brauchen eine Veränderung des Schulsystems. Das fängt bei den Schulfächern an und hört bei der Schulleitung und dem Lehrpersonal auf. Wir müssen den Mut haben, uns von alten Mustern zu lösen. Wieso hat ein schlechter Schüler keine Chance auf ein Medizinstudium (NC)? Warum entscheiden Lehrer, wer auf das Gymnasium geht und wer nicht? An solche Fragen müssen wir ran. Und wir müssen Antworten finden, die nicht lauten „weil es so ist“. Warum das so wichtig ist? 

Biontech Gründer als „Retter der Welt“ – Lehrer sahen wenig Potenzial

Ugur Sahin ist ein Name, mit dem die meisten von uns etwas anfangen können. Er ist der Gründer von Biontech und hat mit seiner Frau den ersten Covid-19-Impfstoff entwickelt. Wäre es früher nach Sahins Lehrern gegangen, so hätte er nach der Grundschule auf die Hauptschule gehen müssen. Das Gymnasium hat er nur besuchen können, weil ein deutscher Nachbar eingeschritten ist. Heute hat Sahin Millionen Menschen das Leben gerettet – was mit einem Hauptschulabschluss wahrscheinlich nicht passiert wäre. Die Schule darf das Potenzial in jungen Menschen nicht verkennen, nur weil sie selbst vor vielen Jahren aufgehört hat sich zu entwickeln.

Autor: Markus Czerner

Markus Czerner ist Keynote Speaker, Buchautor und Coach für den Themenbereich Persönlichkeitsentwicklung. Als Schülercoach coacht er seit mehreren Jahren auch Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II. Zudem hat er als Hauptredner auf einem der größten Kongresse in Deutschland, dem deutschen Schulleiterkongress gesprochen.

Weitere Beiträge von Markus Czerner finden Sie hier

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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