Samstag, April 20, 2024
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Steht hinter eurer Idee!

Antoine Capeyron und Eberhard Schilling, Gründer von Reflective Berlin, wurden als Kultur- und Kreativpilot 2019 ausgezeichnet.

Stellen Sie sich und Ihr Startup Unternehmen doch kurz vor!

Mein Kollege Antoine und ich haben REFLECTIVE Berlin gegründet mit dem Zweck, unmotorisierte Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen, insbesondere Radfahrende, mit Hilfe von coolen Accessoires besser sichtbar zu machen. Mangelnde Sichtbarkeit im Straßenverkehr führt immer wieder zu brenzligen Situationen und gar Unfällen, das wissen wir als begeisterte Alltagsradler nur zu gut. Wie viele andere legen wir alle Wege in der Stadt mit dem Fahrrad zurück. Da wir aber keine Fans von neongelben Warnwesen sind, haben wir uns an Design und Herstellung von reflektierendem Zubehör gemacht.

Diese kommen vor allem in Form von ultrahoch reflektierenden Stickern und Folien für glatte Oberflächen wie Fahrrad oder Helm, und sogar für Kleidung und Textilien. Dezente und schlichte Lösungen für Minimalisten haben wir ebenso im Programm wie quietschbunte Aufkleber für Kids. Darüber hinaus arbeiten wir an Taschen und Klamotten, die teilweise oder vollständig reflektieren, jedoch nach Alltags- und nicht nach Funktionsbekleidung aussehen.

Unser Ansatz ist es also, Sicherheit mit ästhetischem Design zu verknüpfen und neben der reinen Funktionserfüllung Bedürfnisse nach Individualität und Kreativität zu berücksichtigen. Alle Designs entspringen unserer eigenen Feder und wir produzieren weitgehend lokal, entweder bei uns im Studio, oder mit Hilfe von sozial-inklusiven Einrichtungen in Berlin und Umland.

Warum haben Sie sich entschlossen ein Unternehmen zu gründen?

Ehrlich gesagt hatten wir anfangs gar nicht den Plan, ein Unternehmen zu gründen. Wir beide haben uns als enthusiastische Fahrradfahrer in einem Nebenjob in der Gastronomie kennengelernt. Wir wollten eigentlich nur eine Werkstatt, um uns als Hobbyschrauber zu betätigen. Als mein Kollege dann allerdings einen kompletten Fahrradrahmen mit schwarzer reflektierender Folie beklebt hatte und wir mit strahlenden Augen vor dem Ergebnis standen, dachte ich mir: „Alter, das ist mega gut! Cleverer kannst du die Sichtbarkeit eines Fahrrads nicht steigern, und richtig edel sieht das auch noch aus.“ Als klar wurde, dass für sowas eine Nachfrage besteht, dachten wir uns, dass man es ja mit einer Firma probieren könnte, auch wenn wir beide null Ahnung hatten, wie das geht. Antoine ist Grafikdesigner und Mechaniker, ich hatte grad mein Studium der Politikwissenschaften abgeschlossen.

Welche Vision steckt dahinter?

Wir träumen von der autofreien Stadt, in der alle sich entspannt und frei von Lärm, Schmutz und Unfallgefahren fortbewegen können. Das ist aber noch ein langer Weg und bis dahin möchten wir die ungeschützten VerkehrsteilnehmerInnen mit schönen und zum eigenen Stil passenden Accessoires versorgen und zeigen, dass Sichtbarkeit auch schick sein kann.

Für uns sind neonfarbene Leuchtwesten auch ein bisschen Symbol der wortwörtlichen Verdrängung des unmotorisierten Verkehrs an den (Straßen-)Rand. Tagtäglich fordern wir unseren bescheidenen Platz auf den Straßen ein und das kann manchmal gefährlich werden. Damit wir immerhin stets gut sichtbar unterwegs sind und dabei nicht allzu bescheuert aussehen, tüfteln wir an kreativ anwendbaren Add-Ons die Spaß machen und gleichzeitig die Sicherheit erhöhen.

Reflektierende Materialien sind für unseren Zweck eh schon ziemlich perfekt, da sie als passive Leuchtmittel keine Energie (ver)brauchen und man sie nicht vergessen kann, sobald sie in Form von Stickern auf Rad oder Helm kleben. Umständliche Extras wie Bänder und Clips sind nicht nötig, wenn die Reflektoren bereits in die Alltagsgarderobe eingebaut sind.

Was war bei der Gründung Ihres Unternehmens die größte Herausforderung?

Zum Einen ein bisschen Kohle zusammenzukratzen, um überhaupt arbeiten zu können. Es gab ja nie einen wirklichen Plan und wir haben einfach unsere übriggebliebenen Euros aus unserem Nebenjob dort reingesteckt, was wirklich nicht viel war. Unsere Schritte waren anfangs so winzig und zudem oft in eine falsche Richtung, dass ich ziemlich stolz und auch ein bisschen verwundert bin, wo wir heute stehen. Dazu die ganzen Formalitäten am Anfang, die bekanntermaßen selten Spaß machen. Man will ja seine Idee umsetzen und sich nicht mit Formularen und Behörden rumschlagen. Da hat schon ein krasser Lernprozess stattgefunden und die Einsicht, dass inhaltliches Arbeiten ein ziemlicher Luxus ist, bei all dem organisatorischen Krams der ständig anfällt…

Kann man auch mit einer Idee starten, wenn noch nicht alles perfekt ist?

Na, wir sind doch das beste Beispiel! Wir wollten Sichtbarkeit für Radfahrende cool machen. Soviel stand fest. Daraus jedoch ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln, hat Jahre gedauert! Ich glaube, man muss schon erst ein paar Mal ins Klo greifen und scheitern, bevor etwas Kohärentes dabei herauskommt. Einen langen Atem musst du da schon haben, sonst wird das nix.

Wie sind Sie auf die Auszeichnung Kultur und Kreativpiloten aufmerksam geworden?

Meine Mitbewohnerin hat mir davon erzählt. Wir nehmen sonst so gut wie nie bei irgendwelchen Wettbewerben teil. Kollege Zufall war hier wohl mit von der Partie.

Wie wichtig sind solche Auszeichnungen?

Einmal sind sie gut fürs Ego. Das klingt wahrscheinlich blöd, aber wenn man sehr lange an etwas arbeitet und immer wieder zweifelt, ob man überhaupt auf dem richtigen Weg ist, dann fühlt es sich extrem gut an, wenn man gesagt bekommt – zumal von der Bundesregierung! – „Was ihr macht, ist super und hat Hand und Fuß!“ Das gibt einen enormen Motivationsschub.

Außerdem hat uns der Austausch mit anderen Kreativen und Entrepreneuren aus dem Programm sehr geholfen, sich besser reflektieren zu können. Wir alle haben irgendwie die gleichen Herausforderungen und ein gewisses Maß an Durchwurschteln gehört zum Erfolg dazu. Die gewonnenen Kontakte und das gesamte Netzwerk erachte ich als wahnsinnig wertvoll und die inhaltliche Betreuung in den Coachings war definitiv hilfreich.

Wo sehen Sie sich in den nächsten 5 Jahren?

In 5 Jahren haben wir hoffentlich ein begeistertes Team um uns geschart, welches gemeinsam unsere Vision weiterentwickelt und niemals müde wird, innovativ zu denken. Das Prinzip „Reflexion“ bietet noch so viele Anwendungsbereiche und Einsatzmöglichkeiten – nicht nur im Verkehr – , die REFLECTIVE Berlin erkunden kann. Ich denke da an Kunstinstallationen, Musikevents und Raumkonzepte.

Außerdem wäre es toll, wenn sich unser geplanter REFLECTIVE Concept Store in Berlin zu einem Hub für die Radfahrcommunity entwickelt wo sich zu Mobilitätsthemen ausgetauscht und gerne abgehangen wird.

Und wenn ich in 5 Jahren nicht mehr so oft nachts am Arbeitstisch sitzen muss, um Sticker zu popeln und zu verpacken, wäre ich wahrscheinlich auch nicht unglücklich. Wobei das manchmal echt meditativ sein kann.

Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründer*innen mit auf den Weg geben?

Das schon angesprochene Durchhaltevermögen ist unerlässlich. Durststrecken wird es immer geben, aber da muss man durch. Mein zweiter Tip wäre, stets mit Leuten über das eigene Projekt zu sprechen, wenn es sich ergibt. Ein paar hilfreiche Hinweise lassen sich so immer gewinnen, auch wenn sie sich einem nicht immer sofort offenbaren. Außerdem lässt sich so testen, ob die Geschäftsidee überhaupt Hand und Fuß hat. Man neigt dazu, kritische Nachfragen persönlich zu nehmen und auszublenden. Man sollte all das kostenlose Feedback zumindest aufnehmen und irgendwo parken.

Mein letzter Tip: Steht hinter eurer Idee! Wenn das Produkt geil ist, dann wird es auch immer Freude machen, sich dafür einzusetzen.

Jedes Jahr werden im Namen der Bundesregierung 32 Unternehmen als Kultur- und Kreativpiloten Deutschland ausgezeichnet. Bewerben können sich Unternehmen, Selbständige, Gründer*innen und Projekte aus der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Schnittstellen zu anderen Branchen. Die Bewerbung kann via Online-Formular auf www.kultur-kreativpiloten.de eingereicht werden. Das diesjährige Bewerbungsverfahren geht vom 1. Juli – 16. August 2020.

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns bei Antoine Capeyron und Eberhard Schilling für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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