Donnerstag, März 28, 2024
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Privilegien für Geimpfte

Veranstaltungsbesuch, Flug oder Shopping nur mit Corona-Impfung – Dürfen Unternehmen das?

Die Entwicklung mehrerer Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus wirft bei der Diskussion über effektive Corona-Maßnahmen neue gesellschaftliche und damit zwangsläufig rechtliche Fragen auf. Immer mehr Unternehmen fragen sich, ob sie künftig ihr Angebot auf bereits geimpfte Kunden beschränken sollten. Der Reiseveranstalter Alltours hat, Medienberichten zufolge, bereits angekündigt, ab Herbst 2021 nur noch geimpfte Kunden in seinen Urlaubshotels aufzunehmen. Bei der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine solche „Ungleichbehandlung“ rechtlich überhaupt möglich ist, muss zwischen den Möglichkeiten des Staates und denen privatwirtschaftlicher Unternehmen differenziert werden.

Staatliche Möglichkeiten zur Beschränkung von Leistungen an Geimpfte

Auf staatlicher Ebene wären Regelungen denkbar, nach denen ein privatwirtschaftliches Unternehmen seine Leistungen ausschließlich Geimpften anbieten darf. Zu denken wäre beispielsweise, dass Restaurants nur öffnen dürfen, sofern sie ihre Leistungen lediglich geimpften Gästen anbieten. In diesem Fall würde die „Ungleichbehandlung“ also von staatlicher Seite ausgehen und von der Gastronomie lediglich vollzogen werden. Die Alternative des Unternehmers bestünde dann nur zwischen der Öffnung unter Auflage oder Nichtöffnung. 

Darüber, ob eine derartige Regelung verfassungsrechtlich Bestand hätte, debattieren Verfassungsrechtsexperten derzeit lebhaft. Für Ungeimpfte streiten verfügbare Hygienekonzepte als weniger einschränkende Maßnahmen und das Recht auf Freiheit von Diskriminierungen. Auf der Gegenseite stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage die Freiheitsrechte geimpfter Bürger weiter eingeschränkt werden können.

Dennoch: Eine fundierte Abwägung zwischen beiden „Interessensgruppen“ kann jedenfalls erst dann stattfinden, wenn wissenschaftlich geklärt ist, ob die Impfung eine Ansteckung anderer tatsächlich verhindert und wie lange der Impfschutz anhält. Für beide Umstände muss das weitere Infektionsgeschehen in den kommenden Wochen beobachtet werden. Nur auf Grundlage wissenschaftlich belastbarer Erkenntnisse kann dann beantwortet werden, ob Hygienekonzepte eine ebenso wirksame Alternative zu Impfungen darstellen, ob sie die Verbreitung des Virus hindern und zur Rückgewähr der Freiheitsrechte für Geimpfte verhelfen. 

Privatwirtschaftliche Privilegierung Geimpfter?

Der Ausgang der verfassungsrechtlichen Diskussion dürfte für Unternehmen aber auch dann relevant sein, wenn keine staatlichen Regelungen ergehen.

Können wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Impfungen Ansteckungen mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern, bestehen starke Anhaltspunkte dafür, dass Geimpften ihre beschränkten Freiheitsrechte gewährt werden müssen. Kommt die Wissenschaft in den nächsten Wochen zu dem Ergebnis, dass die Impfung die weitere Übertragung des Virus mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verhindern kann, liegt es nahe, dass eine staatliche Regelung zur Privilegierung Geimpfter nicht rechtmäßig wäre. Letzteres dürfte auch im Status quo gelten, da derzeit keine belastbaren Daten vorliegen.

Es stellt sich also die Frage, ob einem Unternehmen weitergehende Rechte als dem Staat zukommen können. Dabei muss man sich freilich die Frage stellen, welche Gründe ein Unternehmen überhaupt haben könnte, seine Leistungen nur noch Geimpften anzubieten. Nochmals: Die Frage der „Ungleichbehandlung“ muss sich ein Unternehmer nur dann stellen, wenn er seine Leistungen von staatlicher Seite sowohl geimpften als ungeimpften Personen anbieten dürfte, aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht möchte. Auch wenn eine solche Entscheidung aus wirtschaftlicher Sicht nicht unbedingt naheliegt, kann es dafür aus unternehmerischer Perspektive durchaus Gründe geben – etwa der Schutz eigener Mitarbeiter.

Welches Motiv der Unternehmer auch immer für sich sieht, seine Leistungen ausschließlich Geimpften anzubieten: Ein Unternehmen ist grundsätzlich berechtigt, seine Vertragspartner frei zu wählen, solange dadurch niemand entgegen dem zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot diskriminiert wird. Gegen verpönte Diskriminierungsverbote verstoßen Unternehmen beispielsweise, wenn sie bei sogenannten Massengeschäften den Vertragsschluss von Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft abhängig machen. Das wäre hier nicht der Fall, da die Entscheidung des Unternehmers allein am Merkmal des Impfstatus anknüpfen würde. Eine „Ungleichbehandlung“ wäre daher grundsätzlich erlaubt.

Praktische Umsetzung eines Impfnachweises

Möchten Unternehmen ihren Kundenkreis aktiv auf Geimpfte einschränken, müssten sie sich den Impfstatus ihrer Kunden konsequenterweise nachweisen lassen. Dabei könnten aber datenschutzrechtliche Probleme entstehen. Die Information über den Impfstatus ist nämlich ein sogenanntes Gesundheitsdatum im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Eine Datenverarbeitung wäre daher nur im Ausnahmefall ohne Einwilligung des Betroffenen möglich. Im Hinblick auf die „freiwillige“ Einwilligung des Kunden könnten im Einzelfall erhebliche Bedenken bestehen. Hat der Betroffene nämlich keine andere Wahl als der Datenverarbeitung zuzustimmen, um die vertragliche Leistung beanspruchen zu dürfen, bestehen zumindest erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit. 

Die herrschende Rechtsunsicherheit mag für Unternehmen wenig befriedigend sein. Dennoch muss die Rechtsentwicklung dem tatsächlichen Fortgang des Infektionsgeschehens folgen. Dessen Dynamik spiegelt sich in der rechtlichen Bewertung derzeit wider.

Mangels Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge an Impfstoff für breite Teile der Bevölkerung und wegen des andauernden Lockdowns dürfte es aber ohnehin einige Zeit dauern, bis Unternehmen tatsächlich eine Entscheidung über eine mögliche Einschränkung ihres Kundenkreises treffen können.

Autor: Phillip Bubinger und Philipp Rohdenburg

Phillip Bubinger und Philipp Rohdenburg sind Rechtsanwälte bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Sie beraten Unternehmen in allen Rechtsfragen rund um ihr operatives Geschäft, insbesondere in den Bereichen Beschaffung, Produktion und Vertrieb. 

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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