Freitag, März 29, 2024
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Hyperrelevanz: Macht euch verführerisch wie Schokolade

„Geldscheine sind Stimmzettel“, heißt es so schön. Vor allem in unruhigen Zeiten wird damit sehr vorsichtig hantiert. Alles, was nicht wirklich wichtig ist, wird aussortiert. Jenseits des Nötigen kommen Unternehmen und Marken nur noch dann bis zum Kunden durch, wenn sie Hyperrelevanz in sich tragen.

Hyperrelevanz genießen nur die Player im Markt, an denen man einfach nicht vorbeikommt. Sie bieten eine derart unwiderstehliche Leistung, dass die Kunden „meilenweit laufen“, um stolze Nutzer oder Besitzer zu sein. Marotten und Patzer werden verziehen, man ist ja Fan. Missionarisch trägt ein Fan alles rund um seine „Lovemark“ hinaus in die Welt.

Der beste Indikator für Hyperrelevanz: Das sind die Namen der Marken, die immer dann fallen, wenn es um etwas Bedeutsames geht. Sie erzeugen Hyperrelevanz in ihrer Kategorie und genau in der Zielgruppe, die sie für sich erschließen wollen. Dabei wird „Peertalk“, also das, was Gleichrangige sagen, vor allem für die jüngere Generation zum eigentlichen Wegbegleiter und Kaufberater.

Hyperrelevante Leistungen, Lösungen und Produkte sind überaus nützlich, anderen beispielhaft überlegen, dem Üblichen weit voraus. Sie sind identitätsstiftend – und deshalb nicht preissensibel. Man kann und will auf sie nicht verzichten. Oft sind sie fesselnd, betörend und faszinierend, geradezu behaftet mit einer gewissen Magie. Entsprechende Namen fallen jedem sicher umgehend ein.

Wie Hyperrelevanz erreicht werden kann

Anbieter, die erfolgreich in Hyperrelevanz investieren, verstehen die Kundenbedürfnisse an jedem einzelnen Interaktionspunkt im Kauf- und Nutzungsprozess – online wie auch offline. Flexibel und agil entwickeln sie möglichst personalisierte Lösungen für jeden Kunden. Sie beseitigen alles, was das Wohlwollen der Kunden gefährden oder unangenehme Kauf- und Nutzungserlebnisse hervorrufen könnte. Sie bieten nachhaltige Lösungen und digitale Exzellenz.

Das klingt fast schon banal. Doch schaut man genauer hin, machen viele Anbieter genau das Gegenteil. Die Kunden sollen sich gefälligst in die vorgedachten Abläufe fügen, umständliche Formalien akzeptieren, mit begriffsstutzigen Chatbots hantieren und im Takt ihrer altersschwachen Software ticken. Heißt: Die Klientel soll ackern, damit man selbst nicht so viel Arbeit hat – und Kosten spart.

Manche Unternehmen sind richtig gut darin, Vorgehensweisen mühsam zu machen, einem die Zeit zu stehlen und schlechte Gefühle zu verbreiten. Frustriert wenden sich die Kunden ab, erzählen davon im Web, vertreiben Interessenten und erzeugen im schlimmsten Fall einen Skandal. So können sie, zu virtuellen Schwärmen verbunden, rasch über Leben und Tod eines Anbieters entscheiden.

So wird Hyperrelevanz leicht zerstört

Überall da, wo mit Standards und Normen gearbeitet wird, tut sich Hyperrelevanz schwer. Natürlich muss Qualität nach unten hin abgesichert werden und gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Doch jede Normierung erzeugt Isomorphie. Das bedeutet: Alles gleicht sich immer mehr an. Genau deshalb wird man gewöhnlich. Aber gewöhnlich ist das Gegenteil von begehrlich – und damit der Todesstoß für jede Hyperrelevanz.

Früher ging es um Massenprodukte. Die sind ruckzuck kopiert – und zudem leicht miteinander vergleichbar. Hierdurch geraten sie sofort in den Preiswettbewerb. Doch im Preiswettbewerb verliert jedes Produkt sein Charisma. Fortan favorisiert der Kunde „Losgröße 1“. Eine höchstmögliche Individualisierung sorgt für Differenzierung, für Emotionalisierung und darüber hinaus für Hyperrelevanz.

Auch Dinge, die nicht recycelbar sind oder kurz nach Ablauf der Garantie ihren Geist aufgeben, werden zunehmend irrelevant. Sie sind mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht vereinbar. Am besten weist man seine Kunden vorausschauend auf Serviceanlässe hin und sorgt proaktiv dafür, dass Probleme erst gar nicht entstehen. Zudem geht es fortan vor allem um Mieten, Leihen und Teilen – statt um Besitz.

Im Fokus: Was Kunden wirklich wollen

Was Kunden grundsätzlich wollen: Mach es so einfach wie möglich, mach den Zugang möglichst bequem, gib mir die beste Lösung so schnell wie möglich, gib mir Hilfe, sobald ich sie brauche – und gib mir bei all dem ein gutes Gefühl. Trivial? Ganz und gar nicht. Nach einer Studie von Cap Gemini glauben 80 Prozent aller Manager, in Sachen Kundenzentrierung gut dazustehen. Doch nur 15 Prozent der Kunden stimmen dem zu.

„Liquid Expectations“ ist dabei ein wichtiges Schlagwort. Es bedeutet: Nicht der Servicelevel, der in einer Branche als üblich gilt, sondern der beste Service, den ein Kunde je erlebt hat, wird seine zukünftige Messlatte sein. Will heißen: Den Service, den man als Kunde bei Firma X erhält, erwartet man fortan von allen Unternehmen in allen Branchen. Weil Firma X ja bewiesen hat, dass es geht.

Standardprozesse machen beliebig

Hyperrelevanz verlangt auch den Abschied von Standardprozessen. Diese können zwar helfen, gravierende Fehler zu vermeiden, andererseits halten sie die Mitarbeitenden davon ab, ihre Sache richtig gut zu machen. Regeln schaffen keine Wow-Momente. Zudem sind Standardprozesse fast immer veraltet, weil sie nicht regelmäßig überarbeitet und damit nicht an die sich ständig wandelnden Kundenbedürfnisse angepasst werden.

Das heißt: Standardprozesse lösen Kundenprobleme von gestern. Und sie lösen Probleme von Standardkunden. Für die zunehmend individuellen Anforderungen der Kunden von heute und morgen passt das meistens nicht. In unserer Hochgeschwindigkeitszukunft ändert sich zudem alles dermaßen schnell, dass gar keine Zeit bleibt, Standards permanent anzupassen.

Maßgeblich ist dabei nicht die Anbietersicht, sondern der Blickwinkel der Kunden. Vor allem gilt es, ihnen Enttäuschungen zu ersparen und sie über die „Null-Linie der Zufriedenheit“ hinaus in die Begeisterungszone zu bringen. Nur zufriedene Kunden sind schweigsame Kunden. Sie tadeln nicht, sie loben nicht, sie empfehlen einen auch leider nicht weiter. Und genauso still machen sie sich, sobald ein attraktiveres Angebot in ihr Blickfeld gerät, auf und davon.

Emotionalisierender „Sternenstaub“ zählt

Um Hyperrelevanz zu erzeugen, Aufpreisbereitschaft zu gewinnen, Kundentreue zu sichern und Empfehlungen zu ergattern, muss der Kunde hellauf begeistert sein. Wer Herz und Seele berührt und auf das perfekt Funktionale etwas „Sternenstaub“ streut, weckt heftiges Habenwollen. Dann ist man blind und taub für den Wettbewerb. Dann wird man zum Fan, zum Fürsprecher und Meinungsmacher.

So muss es das fortwährende Bestreben aller im Unternehmen sein, die Kunden durch herausragende Customer Experiences immer wieder neu zu betören – und weitererzählbar Bemerkenswertes für sie zu erschaffen. Dies verlangt eine crossfunktionale Zusammenarbeit. Ein Customer Touchpoint Manager kann dies unterstützen. Er ist der Advokat des Kunden im eigenen Haus. Seine Aktivitäten sorgen nicht nur für Kundenzentrierung, sondern auch für anhaltende Hyperrelevanz.

Das neue Buch der Autorin 

Anne M. Schüller: Bahn frei für Übermorgengestalter

Gabal Verlag 2022, 216 S., 24,90 €, ISBN 978-3967390933

Das Buch zeigt 25 rasch umsetzbare Initiativen und weit über 100 Aktionsbeispiele, um zu einem Überflieger der Wirtschaft zu werden. Kompakt und sehr unterhaltsam veranschaulicht es jedem, der helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten, die maßgeblichen Vorgehensweisen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer.

Die Autorin 

Anne Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, Bestsellerautorin und Businesscoach. Sie gilt als führende Expertin für Kundenzentrierung und Customer Touchpoint Management. www.anneschueller.de 

Bildquelle/ Fotograf:

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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