Dienstag, April 23, 2024
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Auf das eigene Bauchgefühl hören!

GUSSWERK Schürzen mit abnehmbaren Ledergurten

Stellen Sie sich und das Startup GUSSWERK doch kurz unseren Lesern vor.
Wir sind Anke Dezius und Katrin Degen und gemeinsam haben wir GUSSWERK in Berlin gegründet. Wir sind spezialisiert auf modular aufgebaute Schürzen, die sich durch ein abnehmbares Gurtsystem auszeichnen. In Kombination mit unseren frei wählbaren Fronten aus langlebigen Materialien und mit unterschiedlichen Ausstattungsmöglichkeiten entstehen so zeitlose Schürzen für jedes Einsatzgebiet.

Warum haben Sie sich entschlossen ein Unternehmen zu gründen?
Katrin: Ich war lange Zeit angestellt und in verschiedenen Firmen für die Produktion und Qualitätskontrolle verantwortlich. Irgendwann merkte ich, dass mir diese Arbeit eigentlich gar nicht wirklich Spaß macht – zumindest nicht im Kontext der immer schneller werdenden Modeindustrie und dem großen Preisdruck, der überall herrscht. Hinzu kam, dass ich es als frustrierend empfand, die Entscheidungen meiner Chefs loyal vertreten zu müssen, obwohl ich oft nicht dahinterstand. Ich habe gekündigt und schließlich freiberuflich im Bereich Produktionsbetreuung und Produktentwicklung gearbeitet – bis ich Anke kennengelernt habe und die Idee der Schürzen auf dem Tisch lag. Ich war schnell Feuer und Flamme: Weg vom klassischen Modebusiness und rein in einen Bereich, in dem ganz andere Faktoren wichtig sind – nämlich Funktionalität und Langlebigkeit. Das fand ich super.

Während der letzten Jahre habe ich zudem gemerkt, dass mir unternehmerische Tätigkeiten viel Spaß machen – immer wieder zu schauen, wo wollen wir hin und wie schaffen wir das, finde ich spannend und total motivierend. Alle Entscheidungen selber zu treffen und sich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten ist auch ein guter Motor.

Anke: GUSSWERK ist meine zweite Firma. Ich habe nach meinem Studium eine Ausbildung zur Schnitttechnikerin gemacht, war daraufhin ein Jahr lang als Qualitätstechnikerin angestellt und habe schließlich gemeinsam mit meinem Lebenspartner alles auf eine Karte gesetzt und meine erste Firma für „zeitgemäße Arbeitsuniformen“ gegründet. In dieser Zeit entstand aus einer Anfrage eines Kunden die erste Schürze mit abnehmbaren Ledergurten. Die sieben Jahre, in denen wir diese Firma geführt haben, waren eine aufregende und anstrengende Zeit. Ich habe viel gelernt, fachlich, über mich, über andere und was es bedeutet, eine eigene Firma zu haben.

Als wir nach Berlin gezogen sind, bin ich auf ein Netzwerk von Frauen gestoßen, die in der Textil- und Modebranche arbeiten. Darunter war auch Katrin. Nach einem Jahr gemeinsamer Arbeit an Projekten für andere Labels, begann der Gedanke einer gemeinsamen Firma zu wachsen. Wir hatten eine Idee im Gepäck, von welcher wir schon wussten, dass sie auf einen echten Bedarf reagierte, denn die erste Version der Schürze war ja bereits entwickelt und verkauft worden. Wir passten gut zusammen, hatten ähnliche Wertvorstellungen, mochten uns und ergänzten uns bestens – GUSSWERK war geboren.

Eine eigene Firma zu haben ist für mich Herausforderung, Spielwiese und Schatz gleichermaßen. Es geht mir darum, sowohl ästhetisch als auch ethisch, Dinge so herzustellen, dass sie Sinn machen.

Was war bei der Gründung Ihres Startup-Unternehmens die größte Herausforderung?
Die Parallelität von Brötchen verdienen und Unternehmen aufbauen. Wir haben GUSSWERK ohne finanzielle Hilfe von außen, das heißt ohne Kredite oder Investoren aufgebaut. So mussten wir in den ersten Jahren, neben unserer Arbeit für GUSSWERK, ein zusätzliches Einkommen sicherstellen. Seit circa 2 Jahren können wir uns nun selbst tragen, uns ein Gehalt zahlen, von dem wir leben können und uns endlich zu hundert Prozent auf unsere Herzensarbeit fokussieren.

Gab es jemals einen Punkt, an dem Sie dachten, wir schaffen das nicht?
Es gibt immer wieder Momente, in denen man sich überfordert fühlt oder denkt, an die eigenen Grenzen zu stoßen. Die haben wir beide. Meist jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sodass wir uns gegenseitig „tragen“ können. Das ist wirklich super und ein Grund dafür, dass wir großen Respekt davor haben, ein Unternehmen komplett alleine zu führen.

Wie hat sich Ihr Unternehmen seit der Gründung entwickelt?
Wir haben mit GUSSWERK relativ langsam angefangen und unsere Arbeit am Anfang noch alleine bzw. zwei, drei Tage die Woche gemeinsam im Home-Office geleistet. Als es mit der Zahl unserer Kunden bergauf ging, haben wir uns nach Räumlichkeiten umgeschaut. Gefunden haben wir unsere tolle Werkstatt in Weißensee mit ausreichend Platz, um hier sowohl unsere handwerklichen Tätigkeiten auszuführen als auch all die administrativen Sachen zu erledigen.

Inzwischen haben wir nicht nur handwerkliche Unterstützung im Bereich der Leder- und Endverarbeitung, sondern konnten dieses Jahr auch die ersten zwei Minijobs schaffen.

Auch die ersten GUSSWERK-Praktikanten hatten wir. Der Kundenstamm wächst kontinuierlich und wir verkaufen mittlerweile im ganzen deutschsprachigen Raum sowie in Norwegen, Tschechien und Spanien. Dieses Jahr ist aufgrund der vielen Einzelanfragen auch noch ein Onlineshop für Privatpersonen hinzugekommen. Unsere Gewerbekunden beraten wir weiterhin direkt.

Muss man mit seinen Aufgaben wachsen?
Auf jeden Fall! Am Anfang hat man von so vielen Dingen überhaupt keine Ahnung. Sei es Buchhaltung, Steuern, Zoll, PR, Mitarbeiter einstellen – die Liste ist lang. Zwar ist man Fachfrau im eigenen Bereich, aber alles andere ist neu. Häufig ist das Geld am Anfang ja auch stark begrenzt und man versucht, alles irgendwie selber zu machen. Und so arbeitet man sich langsam in jedes Thema ein.

Wir haben gemerkt, dass es total wichtig ist, von allem zumindest ein bisschen Ahnung zu haben. Nur so kann man auch die richtigen Entscheidungen treffen. Gerade dieses Wachsen ist ein extrem spannender Punkt in der Selbstständigkeit. Man kann sich nicht wegducken, muss durch alles durch, erweitert aber auch permanent seinen Horizont. Dabei sollte man aber auch immer wieder fokussieren, worin man wirklich gut ist, was jeder Einzelne wirklich machen möchte und für was die Firma im Kern steht – das ist wichtig für den langen Atem und die Garantie, dass man die Energie für die eigene Arbeit nicht verliert.

Aufgaben, in welchen man weniger gut ist oder die einen lähmen, sollte man lernen abzugeben.

Kann man mit einer Idee starten, wenn noch nicht alles perfekt ist?
Die Frage ist: Was heißt perfekt? Wir sind mit einer Idee an den Start gegangen, die eine Lösung für ein grundsätzliches Problem bei Schürzen bietet. Allerdings haben wir uns zunächst nur auf ein Produkt, die kurze Vorbinder-Schürze, konzentriert. Über die Zeit hat sich unser Produkt natürlich weiterentwickelt und diversifiziert. Stück für Stück haben wir ein modulares System entwickelt. Auch Materialien und Verarbeitungen sind immer weiter verbessert worden. In diesem Sinne haben wir es natürlich perfektioniert. Die Zusammenarbeit mit unseren Kunden hilft uns, permanent an unserm Produkt zu arbeiten. Und mit der Zeit kommen immer mehr Ideen dazu.

Der Kosmos um dieses eine Produkt „Schürze“ wird immer größer.

Wer ist die Zielgruppe von GUSSWERK?
Unsere Hauptklientel sind Gewerbetreibende aus dem Gastronomiebereich – wobei wir vom Café im Adlon über die Restaurants von Tim Mälzer bis hin zu Gamma Catering in der Schweiz oder Sodexo in Norwegen ganz unterschiedliche Kunden haben.

Daneben entwickeln wir zurzeit auch Schürzen mit Profis aus anderen Berufsgruppen, darunter beispielsweise Fahrradmechaniker, Gitarrenbauer, Barbiere oder Tätowierer. Diese Schürzenmodelle werden wir jedoch eher einzeln über unseren Onlineshop verkaufen. Diesen haben wir explizit für unsere Einzelkunden ins Leben gerufen und er richtet sich an alle, die für das eigene Hobby eine professionelle Schürze möchten – oder aber an Profis, die unsere Mindestbestellmenge nicht erreichen.

Was ist das Besondere an den Schürzen von GUSSWERK?
Unsere Schürzen haben mit dem, was man sonst als normale Gastroschürze kaufen kann, wenig zu tun. Durch die verschiedenen Materialien, die Funktionalität und das Gurtsystem sind sie einer Arbeitsuniform näher. Wir bieten ja sogar verschiedene Größen an. Den Kern unserer Schürzen bildet die Trennung von Front und Gurt. Hieraus leitet sich alles Weitere ab. Das abnehmbare Gurtsystem bietet Variationsmöglichkeiten hinsichtlich Look, Tragekomfort und Materialvorlieben. So können beispielsweise Ledergurte verwendet werden, ohne die Waschbarkeit der Schürze zu beeinträchtigen. Die Fronten gibt es in unterschiedlichen Stoffen und Ausführungen. Alle Komponenten werden mindestens in Europa, teilweise in Deutschland eingekauft und verarbeitet. Die Fertigung aller Gurte sowie die Qualitätskontrolle und Endverarbeitung der textilen Fronten findet in unserer Werkstatt in Berlin-Weißensee statt.

Faire Arbeitsbedingungen sind für uns ebenso wichtig wie die Langlebigkeit unseres Produktes.

Wo sehen Sie sich in den nächsten fünf Jahren?
Wir haben viele Ideen und weitere Produkte im Kopf. Langfristig können wir uns vorstellen, den Kosmos Schürzen zu erweitern und „Spezialisten für funktionale, textile Produkte mit abnehmbaren Gurten“ zu werden. Klingt vielleicht merkwürdig als Alleinstellungsmerkmal, ist für uns aber ein klar umrissenes Arbeitsfeld. Es gibt da das eine und andere Produkt, an dem wir bereits seit Längerem parallel arbeiten. Wichtig ist uns auf jeden Fall, dass wir ein soziales Unternehmen sind. Das kann unterschiedlich umgesetzt werden, beispielsweise indem wir Menschen in Arbeit bringen, die es schwer auf dem Arbeitsmarkt haben oder indem wir soziale Projekte mit Rat, Tat oder Geld unterstützen. Wir sind das bisher erst in kleinen Schritten angegangen, möchten das in der Zukunft aber gerne ausbauen.

Welche Tipps würden Sie angehenden Gründerinnen mit auf den Weg geben?
Führt man das eigene Business nicht alleine, sondern, wie wir, zu zweit, dann ist offene Kommunikation das oberste Gebot. Auch wenn es manchmal nicht leicht fällt, Probleme, Wünsche oder Befindlichkeiten offen anzusprechen, haben wir die Erfahrung gemacht, dass es ohne nicht geht. Und dass man immer gemeinsam an den Lösungen arbeiten muss. Im Prinzip ist eine geschäftliche Partnerschaft ein bisschen wie eine Ehe – man hat Glück, wenn man sich findet und zueinanderpasst, aber es heißt auch immer Toleranz, Vertrauen und etwas Arbeit.

Natürlich sollte man sich auch immer wieder bewusst machen, was man eigentlich möchte. Sowohl mit dem Produkt als auch persönlich innerhalb des Unternehmens. Wir haben festgestellt, dass man sich schnell von außen lenken oder beeinflussen lässt. Sobald Aufträge kommen und man ordentlich zu tun hat, muss man sich manchmal zwingen, kurz innezuhalten und zu schauen, wo schaukle ich denn gerade so hin mit meinem Boot. Also: Selbst Steuern – sich nicht nur durch Aufträge und Anfragen steuern lassen.

Ein letzter guter Rat ist auch, auf das eigene Bauchgefühl zu hören – selbst wenn das heißt, einen Auftrag abzulehnen, da man bezüglich der Zusammenarbeit mit einem Kunden kein gutes Gefühl hat. Bei uns hat sich das eigentlich immer bestätigt.

Wenn es am Anfang schon schwierig war und der Bauch dagegen, hat man am Ende meistens noch drauf gezahlt.

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns Anke Dezius und Katrin Degen für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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