Mittwoch, April 24, 2024
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Man sollte nicht auf jeden Ratschlag hören

Evertracker – mit Künstlicher Intelligenz Prozesse automatisieren

Das Hamburger Start-up Evertracker hat eine der ersten Künstlichen Intelligenzen für den Logistikmarkt entwickelt. Sie weiß heute, was morgen in Logistikketten passiert. Welcher Mensch kann das schon von sich sagen?

Stellen Sie sich und das Start-up Evertracker doch kurz unseren Lesern vor!
Ich bin Marc Schmitt, CEO und Mitgründer von Evertracker, einem Hamburger Software Start-up, das ich zusammen mit Peter Lindqvist und Vlad Bârjonavu gegründet habe. Wir arbeiten an der Zukunft der Logistik, die viel automatisierter, transparenter und individualisierter ablaufen wird. Dafür haben wir eine Internet-der-Dinge-Plattform entwickelt, die über Sensoren in Echtzeit Logistikketten und Supply Chains komplett transparent macht. Außerdem setzen wir seit einiger Zeit massiv auf Machine Learning. Wir analysieren logistische Bewegungsmuster und Prozessschritte. So verstehen unsere Software und natürlich unsere Kunden ihre Logistik und Supply Chains besser als jemals zu vor.

Wie ist die Idee zu Evertracker entstanden und wie haben Sie sich als Gründerteam zusammengefunden?
Die Geschäftsidee hatte ich schon vor ein paar Jahren, als ich für fast alle deutschen Finanzdienstleister als freier Art Direktor gearbeitet und unter anderem Geschäftsberichte erstellt habe. Dazu gehörte auch die Produktion der Print-Exemplare. Das ist ein echtes Just-in-time-Geschäft. Kunden passten Finanzzahlen noch bis kurz vor Druckschluss an. Die fertigen Exemplare wurden per Kurier zu meinen Kunden geschickt – am Tag der Pressekonferenz. Die Auslieferungen sollten in der Regel bis 12:00 Uhr erfolgen. Um 12:30 Uhr erhielt ich fast immer einen Anruf, wo die gedruckten Berichte seien. Ich musste hin und her telefonieren, bis sie auftauchten.

Das irre war, es ging tatsächlich bei jedem Auftrag etwas schief. Mal wurden die Berichte an die falsche Adresse geliefert, vom Pförtner nicht angenommen oder einfach einer beliebigen Person in die Hand gedrückt. Das wollte ich ändern und den Sendungen das Sprechen beibringen. Ich habe dann einen Executive MBA an der ESCP Europe absolviert und so die beiden Mitgründer Peter und Vlad kennengelernt.

Warum haben Sie sich entschlossen, ein Unternehmen zu gründen?
Es gab nicht diese eine Initialzündung. Es war ein langer Prozess. Durch meinen Executive MBA habe ich verstanden, wie man Unternehmen aufbaut und führt. Ideen für Geschäftsmodelle habe ich immer genug. Während des Studiums habe ich mit einigen Kommilitonen die Idee zu Evertracker für sämtliche Seminare und Studienarbeiten genutzt und einen ersten MVP gebaut. Der kam damals sehr gut an und dann haben wir uns entschlossen, nach dem Studium zu gründen.

Von der Idee bis zum Start -was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Am Anfang haben wir Evertracker selbst finanziert. Ich wurde von meiner Familie und von Freunden unterstützt. Parallel habe ich zusammen mit meiner Frau eine Kommunikations- und Designagentur gegründet, die Schmitt. GmbH Branding. Strategy. Design. Sie ist mit Evertracker gewachsen. Seit 2016 führt meine Frau sie alleine. Zum einen hat uns das privat ein kleines Einkommen garantiert, zum anderen hat die Agentur Evertracker als Vordenker und Experten positioniert. Besonders stolz bin ich, dass die Schmitt. GmbH gerade mit drei German Design Awards 2018 ausgezeichnet wurde.

Herausforderungen gab es sehr viele. Wir hatten beispielsweisesehr lange keinen echten Marketfit. Wir hatten damals der Branche ein Grundbedürfnis unterstellt, das sie so nicht verspürt hat und den Markt überschätzt. Damals sprachen alle über lückenlose Transparenz – das wollte aber in Wahrheit niemand kaufen. Erst seit diesem Jahr ist das Thema wirklich angekommen.

Geld ist die andere besonders große Herausforderung. Man liest ja immer wieder, dass man auch ohne Geld und Kapital gründen kann. Das kann ich nicht bestätigen. Neben den Firmenausgaben, die man natürlich besonders niedrig halten kann, muss man sich ja auch privat finanzieren. Und wohnt man nicht gerade bei den Eltern, kostet das Leben Geld. Bei mir war es so, dass ich damals schon Familie und Kinder hatte.

Wer ist die Zielgruppe von Evertracker?
Unser Produkt richtet sich an Logistik- und Supply-Chain-Manager. Wir konzentrieren uns dabei nicht nur auf einen Markt, sondern auf Logistiker genauso wie auf Automobilhersteller, Zulieferer, E-Commerce-Plattformen, Einzelhändler, Pressevertriebe, Ersatzteilversender, Postdienstleister und Industrieunternehmen.

Wie funktioniert Evertracker?
Unsere Technologie ist denkbar einfach: Kunden binden Sensoren bei uns ein, die in Echtzeit Positionsdaten senden können. Das sind entweder unsere eigenen GPS-Sensoren oder die von Partnern oder bereits bestehende Systeme. Wir sind dabei nicht abhängig von einer bestimmten Hardware, wir können also auch mit WIFI, Sigfox, Lora oder Bluetooth arbeiten.

Die Echtzeitinformationen, die wir mit Hilfe der Sensoren erhalten, analysiert unsere Künstliche Intelligenz in Echtzeit und erstellt mit Hilfe weiterer Informationen Bewegungsmuster. Diese Bewegungsmuster zeigen unseren Kunden dann das Normale und weisen sie auf Abweichungen hin. Auch vorausschauende Analysen, wie Ankunftszeiten oder das Reagieren auf Probleme, ist durch die lückenlose Transparenz möglich. Durch die tiefe Integration unserer Software, können unsere Kunden Prozesse automatisieren, deutlich verbessern und so enorme Kosten einsparen und neue Geschäftsfelder erschließen.

Welche Vorteile bietet Evertracker?
Mit unserer Technologie sparen Unternehmen enorme Kostenblöcke ein – denn wir machen Logistik und Supply Chains berechenbar. Dadurch können unsere Kunden viel früher auf Probleme reagieren, manchmal sogar bevor sie eingetreten sind. Aber auch die Analyse und das genaue Aufzeigen für die Gründe von Verzögerungen verbessern Abläufe nachhaltig. So standardisieren unsere Kunden ihre Logistikprozesse. Sie können Cut-Off-Zeiten verschieben oder 20% mehr Pakete auf der letzten Meile zustellen. Auch Diebstähle konnte wir durch vorausschauende Analysen deutlich reduzieren.

Dank unserer Software können Unternehmen bessere Entscheidungen treffen und nachhaltig Prozesse optimieren. Wir geben ihnen nicht nur eine Bestandsaufnahme an die Hand, sondern darüber hinaus mögliche Lösungen vor.

Evertracker, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Wir sehen uns heute schon als Anbieter von Bewegungsmustern und Algorithmen. Kunden können bereits unsere Algorithmen und Bewegungsmusteranalysen über offene Schnittstellen nutzen und zudem bestehende oder passendere Sensoren bei uns einbinden. Eine der ersten Künstlichen Intelligenzen für den Logistikmarkt haben wir schon entwickelt. Pläne für die nächsten fünf Jahre haben wir und wir werden sie, wenn es passt, veröffentlichen, hoffentlich ist Startup Valley News dann wieder mit dabei.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Das Wort Nein ist eines der wichtigsten Worte und gleichzeitig besonders frustrierend für Unternehmer. Wer nicht Nein sagen kann, muss es lernen, und wer nicht gerne Nein hört, muss sich ein dickes Fell zulegen. In 9 von 10 Fällen sage ich Nein zu irgendwelchen Dingen. Umgekehrt bekommen wir in 9 von 10 Fällen Absagen. Das ist nichts Persönliches – man darf sich davon nicht unterkriegen lassen.

Man sollte nicht auf jeden Ratschlag hören. Selbst wenn man danach fragt oder sogar einen Mentor hat. Die meisten versetzen sich nicht in deine Lage und geben unreflektiert Antworten auf Probleme, die keine für dich sind. Uns hat mal jemand gesagt, wir sollten keine PR machen. Aber auch PR hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Das ist umgekehrt oft ebenfalls ein Problem bei Gründern. Sie hören gelegentlich ihren Kunden nicht richtig zu und entwickeln so das falsche Produkt.

Wenn man nicht weiterkommt oder Ärger hat, dann muss man den Hörer abheben. Ich erlebe immer wieder, dass sich Menschen zu fein sind oder sich nicht trauen zu telefonieren. Das direkte Gespräch zu suchen, musste ich auch lernen. Aber Probleme schafft man nur aus der Welt, wenn man drüber spricht. Heute telefoniere ich fast durchgehend den ganzen Tag. Auch mit Leuten, die ich nicht kenne. Dabei treffe ich meistens auf besonders nette Menschen.

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns bei Marc Schmitt für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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