Dienstag, April 16, 2024
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Wegweisendes EuGH-Urteil: CBD ist kein Betäubungsmittel

Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 19. November 2020, C663/18) sorgt für Erleichterung bei Herstellern und Händlern von CBD-Produkten: Der EuGH bestätigt, dass natürlich gewonnenes CBD nicht als Betäubungsmittel einzustufen ist.

Der wachsende CBD-Markt war zunehmend verunsichert:

Noch im Juli 2020 hatte die EU-Kommission alle laufenden Anträge auf Zulassung von CBD-haltigen Lebensmitteln als „Novel Food“ auf Eis gelegt. Nach der vorläufigen Auffassung der EU-Kommission sei natürlich gewonnenes CBD als „betäubungsmittelrechtlich relevant“ einzustufen. Auch die deutschen Gerichte und Behörden waren bei der Bewertung von CBD-haltigen Produkten zunehmend strenger und verboten häufiger den Verkauf von CBD-Produkten.

Gegenstand des EuGH-Verfahrens war die Vermarktung einer elektronischen Zigarette in Frankreich, deren Liquid CBD enthält. Die Geschäftsführer des die Zigarette vertreibenden Unternehmens wurden vom Strafgericht Marseille mit der Begründung verurteilt, dass das enthaltene CBD-Öl aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze einschließlich ihrer Blätter und Blüten gewonnen werde. Nach französischem Recht dürfen aber nur die Fasern und Samen des Hanfs gewerblich genutzt werden. Das in der Zigarette enthaltene CBD-Öl wurde aus der Tschechischen Republik eingeführt, wo das CBD rechtmäßig hergestellt worden war. Das Berufungsgericht Aix-en-Provence legte dem EuGH daher die Frage nach der Vereinbarkeit der französischen Regelung mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Vorschriften über den freien Warenverkehr, vor.

Zunächst bestätigt der EuGH in seiner Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung.

Er entschied, dass Betäubungsmittel, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis, nicht unter die Warenverkehrsfreiheit fielen. Ausgenommen sei der streng überwachte Handel zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke. Es gelte insoweit ein Einfuhr- und Verkehrsverbot in allen Mitgliedstaaten. 

Zugleich stellt der EuGH aber fest, dass es sich bei CBD als Cannabisextrakt nicht um ein Betäubungsmittel im Sinne des UN-Einheits-Übereinkommens von 1961 handele. Der EuGH könne aus den ihm vorliegenden Unterlagen nicht erkennen, dass CBD auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit habe. Aus diesem Grund seien die Regelungen über den freien Warenverkehr (Art. 34, 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) auf das zu bewertende CBD anwendbar.

Die Regelungen über den freien Warenverkehr stünden jedoch einer nationalen Regelung entgegen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes CBD zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnen wird. Eine Ausnahme gelte nur, wenn, diese nationale Regelung geeignet sei, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten. Sie dürfe aber nicht über das hinaus gehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei. 

Der EuGH hat den Mitgliedstaaten dabei klare Anweisungen für nationale Verbotsregelung gegeben:

Der Schutz der Gesundheit sei ein hohes Gut und es sei Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Erforderlich für ein Verbot zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sei aber die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der Verwendung des betreffenden Produkts auf die Gesundheit. Zudem bedürfe es einer umfassenden Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung. Ein Mitgliedstaat sei nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass die gefährliche Eigenschaft von CBD identisch mit derjenigen von Betäubungsmitteln sei. Er dürfe sich jedoch auch nicht auf rein hypothetische Erwägungen berufen.

EuGH-Urteil: CBD ist kein Betäubungsmittel
Dr. Susanne Pech

Das Urteil bedeutet eine große Erleichterung für Unternehmen, die im wachsenden CBD-Markt tätig sind. Die größte Befürchtung war, dass der CBD-Markt gänzlich zum Stillstand kommen könnte, wenn sich die vorläufige Auffassung der EU-Kommission durchgesetzt hätte, natürlich gewonnenes CBD sei als Betäubungsmittel zu behandeln. Nach der Entscheidung des EuGH ist zu erwarten, dass die EU-Kommission ihre Haltung überdenken und insbesondere den Weg für Lebensmittel mit CBD frei machen wird. 

Konkrete Auswirkungen könnte das Urteil auch auf internationaler Ebene haben:

Für Dezember 2020 ist eine Abstimmung über eine Neueinstufung von Cannabis im UN-Einheits-Übereinkommen geplant. Bereits im Januar 2019 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Vereinten Nationen (UN) auf Basis von Untersuchungen einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe eine Neueinstufung von Cannabis, THC und CBD empfohlen. Bislang ist Cannabis im UN-Einheits-Übereinkommen in der gleichen Gefahrenklasse mit Stoffen wie Kokain und Heroin gelistet. In ihren Untersuchungen kam die Arbeitsgruppe der WHO zu dem Ergebnis, dass die festgestellten Risiken diese Einstufung nicht rechtfertigen. Auch wurde ein medizinischer Nutzen von Cannabis anerkannt.

Die WHO empfiehlt deshalb:

  • die Neueinstufung von Cannabis und Cannabisharz in die niedrigste Gefahrenklasse des UN-Einheits-Übereinkommens,
  • die Streichung von THC aus dem Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971 und Aufnahme in die niedrigste Gefahrenklasse des UN-Einheits-Übereinkommens,
  • eine ausdrückliche Ausnahme von Zubereitungen mit CBD, die einen THC-Gehalt von unter 0,2 % aufweisen, von den Regelungen des UN-Einheitsübereinkommens.

Mit Blick auf die diskutierte Neueinstufung von Cannabis und CBD in dem UN-Einheits-Übereinkommen kommt das Urteil des EuGH aus Sicht von Herstellern und Händlern von CBD-Produkten zum richtigen Zeitpunkt.

Über die Autorinnen:

Dr. Susanne Pech ist Rechtsanwältin bei CMS Hasche Sigle, Hamburg, mit Tätigkeitsschwerpunkten im Bereich Life Sciences & Healthcare, Lebensmittel- und Arzneimittelrecht sowie im Gewerblichen Rechtsschutz. Sie berät regelmäßig deutsche und internationale Unternehmen in regulatorischen Fragestellungen im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis sowie Produkten mit CBD.

Dr. Friederike von Zezschwitz ist Rechtsanwältin bei CMS Hasche Sigle, Hamburg, mit Tätigkeitsschwerpunkten im Bereich Life Sciences & Healthcare und verwandten regulierten Branchen (z.B. Lebensmittel und Kosmetik). Zu ihrer Expertise zählt zudem die die Beratung von Unternehmen in regulatorischen Fragenstellungen hinsichtlich der Herstellung und des Vertriebs von CBD-Produkten und von medizinischem Cannabis.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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