Samstag, April 20, 2024
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Gemeinsame Regeln festlegen

Colonies Coliving- erschwinglicher und gut ausgestatteter Wohnraum

Stellen Sie sich und das Startup Colonies doch kurz unseren Lesern vor!

Ich bin François Roth, komme aus Frankreich und habe 2017 zusammen mit meinen beiden Studienfreunden Alexandre Martin und Amaury Courbon das Coliving-Unternehmen Colonies gegründet. Unser Modell basiert auf Wohnlösungen, bei denen die Bewohner:innen im Fokus stehen. Ziel ist es, das Wohnen von heute neu zu erfinden und den Wohnsektor von morgen mitzugestalten. Unser erstes Coliving-Haus wurde in Fontainebleau, einer kleinen Stadt südlich von Paris, für Studierende eröffnet. Heute ist das Angebot nicht mehr ausschließlich auf Studierende beschränkt, sondern richtet sich an alle Einwohner:innen, die erschwinglichen und gut ausgestatteten Wohnraum suchen, der geschmackvoll gestaltet ist und alle Reibungspunkte einer gewöhnlichen Wohngemeinschaft reduziert.

Konkret bietet Colonies Wohnraum an, der den Komfort einer privaten, möblierten Wohnung und zugleich den Zugang zu großzügigen Gemeinschaftsräumen bietet. Das Angebot kann je nach Ausstattung des Hauses variieren (komplett ausgestattete Küche, großzügiger Wohn- und Essbereich, Terrasse, Veranda oder Dachterrasse, ein kleiner Kinosaal oder Fitnessraum). Was alle Einheiten gemeinsam haben: eine sehr freundliche, fast familiäre Atmosphäre. Jedes Haus wird außerdem von einem Residence Manager verwaltet, der sich um die Bedürfnisse und alltäglichen Fragen der Mieter:innen kümmert. Auf diese Weise steht das Miteinander im Mittelpunkt unseres Angebots. Wir möchten eine lebendige Gemeinschaft schaffen, die die Basis für ein perfektes Umfeld sowie ein schönes und angenehmes Zusammenleben bildet.

Colonies bietet Bewohner:innen mehr Flexibilität und smarte Lösungen:

Neben virtuellen 360°-Besichtigungen, digitaler Unterzeichnung des Mietvertrags und Zimmerreservierung können unsere Bewohner:innen zusätzliche Serviceleistungen buchen. Zu unseren Zielgruppen zählen junge Berufstätige, Führungskräfte, die beruflich mobil sein möchten, und auch Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, ihre Angestellten unterzubringen. Wir planen außerdem, dieses Modell auf andere Personengruppen wie Alleinerziehende oder Senior:innen auszuweiten. Neben Fontainebleau sind seither weitere Standorte in Paris, Lille, Bordeaux und Marseille ins Leben gerufen worden. Aktuell expandieren wir in Europa und sind auch in Berlin mit zwei Standorten vertreten. Außerdem haben wir mit zwei Eröffnungen in Brüssel und Luxemburg weitere internationale Standorte gewonnen.

Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?

Colonies wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Modelle des Wohnsektors zu überdenken und das Wohnen von heute neu zu erfinden.

Die Idee ist unseren ganz persönlichen Erfahrungen entsprungen und das ist gleichzeitig unsere größte Motivation. Meine Mitgründer Amaury und Alexandre habe ich an der ESSEC Business School kennengelernt: Wir waren erst Freunde, dann Zimmergenossen und wurden bald unzertrennlich. In diesen Jahren sind wir, wie viele andere Studierende und junge Berufstätige in französischen Großstädten, mit der Problematik rund um die Wohnungssuche konfrontiert worden und mussten dabei die ein oder andere unangenehme Erfahrung machen. Parallel zu unseren ersten Schritten im Berufsleben haben wir beschlossen, eine Wohnung in Cergy, einer Kleinstadt im Norden von Frankreich, zu kaufen, um den Studierenden der ESSEC einen erschwinglichen, flexiblen und gut ausgestatteten Wohnraum anzubieten. Aufgrund dieses ersten Erfolges haben wir beschlossen, weitere Colivingeinheiten in Frankreich zu offerieren. Der Plan ging auf und nun betreiben wir mittlerweile auch mehrere Häuser in ganz Europa. 

Welche Vision steckt hinter Colonies?

Die Vision von Colonies ist es, unkomplizierten flexiblen und erschwinglichen Wohnraum für möglichst viele Menschen zu schaffen und ebendiesen die Chance zu bieten, an ihrem absoluten Wunschort wohnen, leben und arbeiten zu können. Da wir die Schwierigkeiten, die der Wohnungssektor birgt, selbst erlebt haben, ist es uns besonders wichtig, die Situation aus der Perspektive der Mieter:innen zu betrachten. Unser Ziel ist es, mit unserem Konzept für etwas Entspannung auf dem aufgeheizten Immobilienmarkt zu sorgen und so den Wohnungssektor von morgen mitzugestalten.

Das Geschäftsmodell von Colonies beruht darauf, immer die besten Wohnlösungen zu bieten, indem wir uns auf die Menschen und ihre jeweiligen Bedürfnisse konzentrieren. Der Wohnungsmarkt ist ziemlich angestaubt, es gab in den vergangenen Jahren wenig Entwicklungen in diesem Bereich. Wir sehen für die kommenden Jahre viel Potenzial im Bereich der Digitalisierung und einen Teil davon leben wir mit Colonies bereits aus, indem wir Besichtigungs-, Bewerbungs- und Abrechnungsprozesse bereits vollkommen digital gestalten. 

Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?

Anfang 2020 hatten wir das Glück, zum Zwecke unserer Expansion eine Finanzierungsrunde über 41 Millionen Euro abschließen zu können. Zu unseren größten Investoren zählen französische sowie deutsche Unternehmen, wie z.B. Global Founders Capital, idinvest und Eurazeo. Außerdem wurden wir von Immobilieninvestoren unterstützt, die in unsere Assets investiert haben. Dazu zählen LBO France, in‘li, La Française Management sowie Covea.

Wir haben ein sehr komplexes Produkt, welches eine breite Palette von Services anbietet. Wir müssen auf regionale Unterschiede eingehen und unsere Prozesse, die wir aus Frankreich kennen, auf Deutschland adaptieren. Dabei stellt uns auch die rasante Expansion vor einige Herausforderungen: wir werden unser Team enorm vergrößern und müssen aber gleichzeitig schnell und dynamisch reagieren können. 

Wer ist die Zielgruppe von Colonies?

Zu Beginn stellten wir vor allem Studierende und junge Berufstätige in den Fokus. Wir haben aber schnell bemerkt, dass unser Konzept ein viel breiteres Publikum ansprechen kann – ganz unabhängig von Alter, Nationalität, Berufsstand oder sozialem Status. Ebenso wie das Leben vieler Menschen dezentraler und flexibler geworden ist, müssen sich auch die Wohnkonzepte diesen neuen Bedürfnissen anpassen. Dabei darf man nicht vergessen, wie wichtig ein gemeinschaftliches Umfeld ist. Der Coliving-Ansatz kann etwa auch für Senior:innen, Singles, Alleinerziehende und Familien oder Berufstätige, die viel reisen müssen, eine vereinfachte Möglichkeit bieten, Wohnraum zu finden und soziale Kontakte zu knüpfen. 

Wie funktioniert Colonies? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?

Wenn man den aktuellen Wohnungsmarkt betrachtet, ergeben sich drei große Problemstellungen: steigende Mieten, begrenzter Wohnraum und lange Wartezeiten. Hier setzen wir mit unserem Konzept an. Ein Zimmer kann bei Colonies innerhalb weniger Stunden rein digital angemietet werden. Alle Unterlagen, die hierfür benötigt werden, sind ein Ausweisdokument sowie ein Einkommensnachweis. Mit den Mietkosten sind nicht nur das Zimmer und die Nutzung der Gemeinschaftsräume abgedeckt, sondern auch Versicherungen, Nebenkosten und eine wöchentliche Reinigung der Räume.

Das gemeinschaftliche Wohnen bietet auf diesem Weg maximale Flexibilität, eine effizientere Nutzung des städtischen Wohnraums und ist, gerade wenn man neu oder nur für kurze Zeit in einer Stadt ist, ein guter sozialer Anknüpfungspunkt. Hier trifft man auf Menschen, die häufig in einer ähnlich Lebenssituation sind, wie man selbst. Im Gegensatz zu anderen Anbietern sind wir international vertreten und profitieren von den Erfahrungswerten, die wir an verschiedenen Standorten sammeln durften und bei neuen Projekten einfließen lassen können. Außerdem bieten wir verschiedene Ebenen von Gemeinschaftsräumen an und setzen nicht nur auf Standards wie Küchen, Wohn- und Essbereiche, sondern versuchen, wenn möglich, auch Extras wie Co-Working Spaces, Terrassen, Veranden oder sogar Fitness- und Kinoräume zu integrieren. 

Colonies, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Wir haben es in Frankreich bereits geschafft, das Thema Coliving zu verbreiten und uns als führenden Anbieter zu positionieren. Gleiches wollen wir auch in ganz Europa erreichen. Konkret bedeutet das, dass wir bis Ende 2022 in den Top-Sieben-Städten Deutschlands, also Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart, vertreten sein wollen. Dieses Ziel verfolgen wir gemeinsam mit Nicolas Wernitz, der seit September unser Head of Development in Deutschland ist.

Zusätzlich haben wir gerade erst eine neue Businesslinie mit Häusern im Stil einer klassischen WG gelauncht, die speziell auf Studierende und junge Berufstätige ausgerichtet ist. Die Coliving-Einheiten sind hier kleiner und günstiger und bieten Platz für vier bis acht Bewohner:innen. Genauso wie unsere anderen Coliving-Häuser sind die Residenzen komplett möbliert und vollausgestattet, mit allem, was die Bewohner:innen benötigen. Interessent:innen können sich allein für ein Zimmer in einer Einheit bewerben oder bereits als bestehende Wohngemeinschaft. In Frankreich haben wir bereits im September die ersten, sogenannten „Supercolocs“ eröffnet, in Deutschland sind die ersten Openings für 2022 geplant.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?

Mit Freund:innen Unternehmen zu gründen kann ein echter Gewinn sein: man teilt dieselben Werte, hat dieselben Visionen, eine gemeinsame Motivation und vor allem herrscht untereinander großes Vertrauen. Außerdem ist die Kommunikation dadurch viel flüssiger und transparenter. Zu Beginn unseres Abenteuers waren wir uns aber auch der damit verbundenen Risiken sehr bewusst. Deshalb haben wir verschiedene Maßnahmen ergriffen, um zu vermeiden, dass es zu Auseinandersetzungen kommt. 

Erster Tipp: Angleichung der Interessen

Im Geschäftsleben entstehen die meisten Schwierigkeiten durch eine ungleiche Interessenlage. Kleine Unterschiede, wie z. B. bei der Verteilung des Kapitals, können zu großen Frustrationen führen, die Konflikte schüren und manchmal die Motivation derjenigen untergraben, die sich ungerecht behandelt fühlen. Dies ist also die erste Regel, die ich allen Gründer:innen mit auf den Weg geben möchte: Schafft eine gute Ausgangslage, indem ihr, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht (Kapitalverteilung, Vergütungspolitik usw.), vorab Klarheit schafft. Dabei darf gleichzeitig die persönliche Motivation und Liebe zu dem was man tut und mit wem man etwas erreichen möchte, nie in Vergessenheit geraten. Dieses Gefühl und der Spaß sollten auch in schwierigen Situationen nicht verloren gehen.

Zweiter Tipp: Gemeinsame Regeln festlegen

Es ist wichtig, gemeinsam die Regeln festzulegen, die das Unternehmen und das Arbeiten miteinander ausmachen. Dabei kann beispielsweise festgelegt werden, wie Entscheidungen zu treffen sind. Welche Befugnisse hat jede:r Einzelne? Welche Beschlüsse müssen gemeinsam gefasst werden? Was ist im Falle einer Pattsituation zu tun? Was ist, wenn eine Person das Unternehmen verlassen möchte? Diese Regeln sind nicht für den Alltag gedacht, sondern für schwierige Momente und große Meinungsverschiedenheiten. Je detaillierter solche Themen besprochen werden, desto unproblematischer werden Gespräche in schwierigen Phasen verlaufen. Wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, ist es außerdem immer besser diese zu dritt, anstatt nur zu zweit zu fällen – so hat man immer eine klare Mehrheit.

Dritter Tipp: Rollen verteilen

Eines der wichtigsten Themen bei der Gründung eines Unternehmens ist es, sicherzustellen, dass die Rollen aller Beteiligten klar definiert sind. Auch wenn natürlich die Fähigkeiten, einzelne Budgets und die jeweiligen Netzwerke geteilt werden, ist es bei uns beispielsweise so, dass jeder von uns auch spezifische Bereiche steuert, in denen er seine Interessen leben, sich ausdrücken und seine Talente weiterentwickeln kann.

Wir bedanken uns bei François Roth für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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